194 n.Chr. – Galen von Pergamon

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Galen von Pergamon war einer der Großen der Medizingeschichte. Seine Lehren galten über 1400 Jahre unangefochten als Lehrstoff und prägten die Medizin ihrer Zeit. Neben anatomischen Studien begründete er eine Diagnosemethodik und prägte Begriffe und Systeme, die zum Teil auch heute noch Gültigkeit haben. Allerdings gab es auch eklatante Fehler. So dauerte es bis 1540 bis seine Anatomievorstellungen in Frage gestellt wurden und durch Sektionen am Menschen korrigiert wurden.

Bild: Von City Library of Arezzo, Gemeinfrei,https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5632088

 

 

#194 – 194 n.Chr. – Galen von Pergamon

Ich bin so froh, in einer Zeit aufzuwachsen, in der Theorien getestet und umgeworfen werden können, wenn sie falsch sind. Ein Hoch auf die wissenschaftliche Methode! Und zwar insbesondere, wenn wir über Medizin sprechen.

Da war es ja über die Jahrhunderte so, dass eine Hand voll Gelehrte im Endeffekt definierten, wie Mediziert gedacht und durchgeführt wurde. Und einer der Giganten dieser Zunft war der Gelehrte Galen, der sein Handbuch zur Medizin im Jahr 194 schrieb – Die Kunst der Heilung.

Der Einfluss seiner Schriften reicht bis heute und bis ins 16. Jahrhundert, also 1.400 Jahre, war seine Lehre praktisch das Haupt-Curriculum an Universitäten, wenn es darum ging, zu lernen, wie der menschliche Körper funktioniert, aufgebaut ist und geheilt werden kann.

Galen wurde in Pergamon geboren und war der Sohn eines Architekten und Mathematikers, der ihn dann zunächst eben auch folgerichtig in Mathematik, Naturlehre und aristotelischer Philosophie unterrichtete. Ab dem Jahr 146 hatte er aber die Medizin für sich entdeckt und studierte sie systematisch. Er reiste dabei auch viel, zum Beispiel im Alter von 19 nach Alexandria. Das war das damalige Zentrum der Heilkunst und der einzige Ort in der Antike, wo Humansektion und Untersuchungen an Leichen durchgeführt werden durften.

Im Jahr 158 kehrte Galen dann nach Pergamon zurück und war dann da als Sport- und Wundarzt der Gladiatoren tätig. Später dann ging er nach Rom und wurde unter anderem auch Leibarzt des Kaisersohnes und wahrscheinlich auch des Kaisers zu der damaligen Zeit. Galens Heillehre ist aus vielerlei Hinsicht bemerkenswert: Einmal ist es so, dass er die verschiedenen, vorherrschenden Heilformen in einem gemeinsamen Theoriegebilde zusammengefasst hat.

Da war zum einen die 4-Elemente-Lehre, die sich mit Feuer, Erde, Luft und Wasser als Grundelemente beschäftigte, die er in der Philosophie kennengelernt hatte. Zum anderen gab es die in der hippokratischen Medizin bereits in ihren Anfängen entwickelte 4-Säfte-Lehre, die sich mit dem Gleichgewicht der Körpersäfte Blut, Schleim, Gelbe Galle und Schwarze Galle und den 4 Qualitäten warm und feucht, kalt und feucht, warm und trocken, kalt und trocken beschäftigte.

Die 4-Säfte-Lehre gilt heutzutage als vollkommen überholt – also überhaupt gar nicht mehr gültig und auch wirklich widerlegt, ist aber in esoterischen Kreisen immer noch sehr aktiv und lebendig. Galen war sehr produktiv. Er führte Sektionen und Minisektionen an Tieren durch und schrieb dazu fast 400 Schriften, die nach seinem Tod zusammengefasst wurden und 70 Bücher ergaben.

Das Blöde nur: Wenn man seine Erkenntnisse aus den Sektionen von Schweinen, Affen und Hunden gewinnt und dann einfach mal auf den Menschen überträgt, dann liegt man oft falsch. Wenn man außerdem 400 Schriften hinterlässt, die 70 Bücher ergeben plus ein 14-bändiges Standardwerk, dann hält die Nachwelt die eigene Arbeit unter Umständen für vollständig und umfassend.

Genau das ist eben in dem Fall auch passiert. Galens Werk war als Grundlage anatomischer Vorlesungen bis ins 18. Jahrhundert hinein im Einsatz und seine Erkenntnisse waren als so vollständig angesehen, dass man sie überhaupt nicht hinterfragte und auch nicht prüfte. Wenn dann doch mal bei offenen Stellen an Leichen Abweichungen auftraten, hielt man das für Missbildungen.

Zweifel an Galens Lehre gab es aber immer wieder. 1530 kam zum Beispiel Vesalius auf den Gedanken, dass Galen wahrscheinlich nie Menschen seziert hatte. Er äußerte da die Ansicht, man hätte bei einem Metzger mehr über Anatomie lernen können, als bei anatomischen Vorlesungen. Dankenswerterweise konnte er selber eigene Sektionen an Menschen durchführen und ergänzte damit dann den Wissensschatz der damaligen Zeit. Das war zwar eine erste Delle im Lehrwerk von Galen, aber man muss sich mal vor Augen halten, dass es zu dem Zeitpunkt schon 1.300 Jahre geltende Lehrmeinung war. Sowas wird nicht über Nacht abgelöst – bestenfalls in interessierten Kreisen ergänzt.

Aber Galen lag auch nicht überall falsch. So lehrte Galen zum Beispiel zum ersten Mal, dass das Gehirn im Prinzip die Steuerung der gesamten Muskulatur übernimmt. Auch seine Diagnostik hat einen gewissen Wert. Er legte besonderen Wert auf das Messen von Puls und das Betrachten des Urins und die Harnschau ist ja bis heute immer noch wichtig.

Einzelne Lehren galten als Lehrmeinung bis fast in die Neuzeit. So wurde erst im 17. Jahrhundert Galens Vorstellung vom Fluss des Blutes widerlegt und sein Krankheitskonzept hatte Bestand bis ins 19. Jahrhundert. Wahnsinn! Das Lebenswerk eines einzelnen Menschen hat Generationen nach ihm über 1.000 Jahre hinein beeinflusst. Und heute nennt man immerhin noch bestimmte Symptome und einen Mondkrater nach ihm. Schon nicht schlecht, so als Lebenswerk!

Bis bald.