268 – Atommüllwahnsinn =^_^=

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Atommüll… war das nicht dieses Zeug, dass wir in Salzbergwerken lagern? Genau. Oder wir fahren es einfach nach Sibirien und laden es auf einem Parkplatz ab. Oder wie wäre es mit dem Klassiker: Wir versenken das Zeug im Meer? Weil: Aus dem Augen – aus dem Sinn?

Bild: Von Nuclear Regulatory Commission – http://www.nrc.gov/reading-rm/photo-gallery/index.cfm?&cat=Nuclear_Reactors, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3429615

 

#268 – Atommüllwahnsinn

Manche Themenanker sind ja sperriger als andere und der Themenanker für die Episode 268 ist einer dieser eher sperrigeren – es wird nämlich heute um Atommüll gehen, oder wie es offiziell heißt: radioaktiver Abfall.

Warum? – Naja, weil ich bei meiner Suche über den Endlager Kommissionsabschlussbericht gestolpert bin und der trägt den klangvollen Namen “K-Drs.268”. Ich habe ihn dann aufgemacht, das kommt als dickes PDF und es sind 681 Seiten pure Freude. Die Endlagerkommission musst Du wissen, hat sich mit der Frage beschäftigt, wo wir denn den ganzen Scheiß hinräumen können, der anfällt, wenn wir zum Beispiel unsere Kernkraftwerke versorgen; für medizinische Geräte; radioaktive Strahler produzieren oder einfach mal schlicht und ergreifend Uran abbauen. Denn da, beim Uranabbau, entsteht der Großteil – mengenmäßig der Großteil – des radioaktiven Abfalls.

Ach, und dann gibt es natürlich auch noch die paar Länder, die sich damit beschäftigt haben, Atomwaffen zu produzieren. Die haben auch so das ein oder andere Kilo Abfall rumliegen. Das hat aber unsere Endlagerkommission erst mal nicht weiter interessiert. Die hat sich natürlich mit Deutschland beschäftigt.

Ganz grundsätzlich haben wir – Atomausstieg hin oder her – ein echtes Problem. Denn ins Atomzeitalter sind wir gestolpert ohne geklärt zu haben, was wir mit den Abfällen machen. Ganz am Anfang war glaube ich noch nicht mal allen Beteiligten klar, wie dramatisch die Abfallsituation sein würde.

Wenn es um Atommüll geht, wird in mehrere Klassen eingeteilt: Da gibt es einmal die hochradioaktiven, die mittelradioaktiven und die schwach radioaktiven Abfälle. Die schwach radioaktive sind natürlich am leichtesten transportierbar. Die brauchen praktisch keine besonderen Vorkehrungen und sie produzieren vor allen Dingen keine Wärme. Das heißt, man muss noch nicht mal einen Topflappen nehmen, um sie zu transportieren.

Mittelradioaktive Abfälle brauchen Abschirmmaßnahmen, aber sie brauchen keine Kühlung. Das heißt, sie sind vielleicht warm, aber immerhin noch nicht wirklich heiß. Hochradioaktive Abfälle hingegen, die sind der Alptraum. Die sind heiß, erzeugen weitere Hitze, weil der Zerfall weiterhin stattfindet und sie sind hochgradig gesundheitsschädlich, wenn man ihrer Strahlung ausgesetzt wird. Das heißt, die brauchen sowohl eine Abschirmung als auch eine Kühlung, sowohl bei Transport als auch idealerweise bei der Lagerung.

Im Jahr fallen so ungefähr 12.000 Tonnen hochradiokative Abfälle an. Insgesamt lagern etliche hunderttausend Tonnen radioaktiven Mülls aller möglichen Strahlungsklassen auf diesem Planeten. 700.000 davon alleine in Russland. 200.000 Kubikmeter radioaktivem Materials sind in den USA in der HenfordSite. Und jedes Jahr eben kommen neue dazu. Deutschland produziert jährlich etwa 45 Tonnen hochradioaktiv abgebrannte Brennelemente. Was für ein Spaß!

Was macht man jetzt mit dem ganzen Mist? Theoretisch gibt es da mehrere Möglichkeiten:

Möglichkeit Nr. 1: Wiederverwenden. Bestimmte Abfälle und Stoffe lassen sich mit wenig oder gar keinem Aufwand für eine Zweitverwertung nutzen. Das heißt, sie können entweder umgewandelt werden oder angereichert werden und dann eben noch einmal weiter einem sinnvollen Nutzen zugeführt werden. Das geht allerdings nicht beliebig oft und es ist auch nicht ohne Risiko. Bei der Anreicherung selber, fallen natürlich auch Abfallstoffe an.

Die 2. Möglichkeit ist die sogenannte Transmutation. Das heißt, Stoffe werden in andere nützliche oder schneller zerfallende Stoffe überführt, sozusagen durch Nachbearbeitung in etwas anderes umgewandelt. Die Idee klingt schon mal gar nicht schlecht, ist allerdings im Moment ein Forschungsgegenstand, der noch nicht wirklich praktisch nutzbar ist. Gute Idee – können wir aber noch nicht drauf vertrauen.

So. Und da sind wir jetzt bei Nr. 3. Nr. 3 ist: Den Scheiß irgendwo lagern. Und da gibt es natürlich jetzt mehrere Optionen. Es gibt die Option, wir versenken es im Meer. Es gibt die Option, wir vergraben es im Boden und es gibt die Option “Ach, wir lagern es einfach unter freiem Himmel”.

Und ja, alle diese Optionen gibt es und werden auch gemacht. Nehmen wir zum Beispiel mal die Lagerung unter freiem Himmel. Die Lagerung unter freiem Himmel ist in Europa und der westlichen Welt strengstens verboten. Tja. Aber, das heißt ja nur, dass man es in Europa nicht machen darf. Richtig? – Genau…. Und deswegen gab es 2009 auch einen riesen Skandal, als durch Berichterstattung aufkam, dass Frankreich seit den 90er Jahren heimlich einen nicht unerheblichen Teil seines Atommülls nach Sibirien verschifft hat. Dort lag der Mist dann offen auf einem Parkplatz in einer Stadt rum.

Das sah von außen einfach nur so aus, als wenn da irgendwelche Tonnen gelagert wären. Aber in Wirklichkeit war es hochradioaktiver Atommüll. Ist ja uns egal, wenn es da drüben in Sibirien ist, oder? Die Franzosen wieder… Obwohl… ups, ja… da kam auch auf, dass auch Deutschland nicht unerheblich und sogar noch in größerem Umfang als Frankreich seinen Atommüll nach Russland exportiert hat. Was die Russen jetzt damit gemacht haben? – Ahhh, nicht so wichtig…

Nur soviel: Sollte bei Dir demnächst mal ein Umzug anstehen und Du Dich vielleicht sogar für einen Aufenthalt im Ausland interessieren: Ich würde Dir empfehlen, nicht in die kirgisische Stadt Mailuusuu zu ziehen. Die ist nämlich von 36 ungesicherten Uranlagern umgeben und zählt zu den 10 am Schlimmsten verseuchten Gegenden der Erde.

Okay, Lagerung unter freiem Himmel also Böse. Wie wäre es also damit?: Wir kippen es einfach ins Meer. Das war bis 1994 eine legale Vorgehensweise, bevor es dann durch die internationale Schifffahrtsorganisation IMO verboten wurde. Mehr als 100.000 Tonnen radioaktiver Abfall wurde im Meer versenkt. Die USA, Großbritannien, die Schweiz, Deutschland sind dabei mit die größten Atommüllversenker. Wie kann man nur so dumm sein?!

In den 90er Jahren war sowohl schon bekannt, wie gefährlich radioaktiver Abfall ist, als auch völlig klar, dass unsere Weltmeere nicht unbedingt der Platz sind, wo Dinge an einem Ort bleiben. Und so Container wasserdicht machen, naja… Das bringt mich übrigens zum nächsten Punkt: Wie werden eigentlich diese Atomabfälle gelagert?

Das ist eigentlich ganz interessant. Die werden nämlich im Allgemeinen in andere Formen überführt. Formen, die nicht so leicht wasserlöslich sind. Zum Beispiel, indem man den Atommüller in Glas eingießt. Im Augenblick wird auch noch an Keramik geforscht. Das heißt, aus einem potentiell wasserlöslichen Körper wird ein wasserunlöslicher hochstrahlender Körper gemacht. Das ist also nicht wie eine Brausetablette, die sobald sie aus der Packung ist, sich auflöst. Aber trotzdem ist unser Ingenieurswissen jetzt nun mal nicht darauf ausgelegt, potentiell Millionen Jahre lang strahlende Stoffe sicher unterzubringen.

Ah! Und übrigens: Wir sind auch nicht wirklich schlauer geworden seit den 90ern: Das direkte Einleiten von radioaktiven Abwässern ins Meer ist nämlich nach wie vor erlaubt und wird auch fleißig gemacht. Und da reden wir jetzt nicht von sauber eingeschmolzenen wasserunlöslichen radioaktiven Strahlen. Da reden wir von strahlendem Wasser. Schwach strahlend, aber immer noch.

Wo sind wir jetzt? Der aktuelle Stand der Technik und das legal Machbare, zumindest in unseren Breiten ist jetzt folgendes: Wir graben es ein. Möglichst tief, idealerweise in Salzbergwerke, weil die besonders gut isolierende Eigenschaften haben und möglichst weit weg von Bewohnergebiete. Was es dabei natürlich schwierig macht ist, ja, diese hochradioaktiven Abfälle produzieren leider Wärme und nein, wir sind nicht wirklich in der Lage, ein Behältnis zu konstruieren, das tatsächlich mehr als vielleicht ein paar hundert Jahre herhalten würde. Noch nicht einmal das werden wir wahrscheinlich schaffen.

Da haben aber diese Untertage-Lagerstätten, man glaubt es kaum, sogar noch einen Vorteil, denn die kann man wieder öffnen und den Müll wieder rausholen und irgendwo anders verlagern. Vielleicht gibt man den dann auch noch irgendwann mit ins Meer – wer weiß?

Eine Idee, die ich sehr interessant fand, die aber leider unrealistisch ist, war übrigens diesen Atommüll komplett zu entfernen. Ihn sozusagen in den Weltraum zu schießen, idealerweise sogar Richtung Sonne, sodass der radioaktive Abfall komplett aus unserer Umgebung entschwinden würde. Das geht leider aus ganz praktischen Gründen nicht: Zum einen ist das ziemlich teuer Raketen ins All zu schießen und zum anderen würde die reine Menge dazu zwingen, dass täglich etwa sechs Raketen aufsteigen. Und da reden wir noch nicht davon, dass wir die schon angefallenen Abfälle auch noch entfernen müssten. Im Jahr würden etwa 2.000 Raketen ins All starten und wahrscheinlich ist es auch naiv anzunehmen, dass die Abgase solcher Raketen nicht auch irgendeinen negativen Effekt hätten.

Und dann gibt es natürlich noch ein kleines Problem. Stellen wir uns mal kurz eine Rakete vor, die nach dem Start innerhalb unserer Atmosphäre explodiert. Mit Tonnen über Tonnen hochradioaktiven Abfalls an Board – na servus!

Halten wir fest: Wir haben fast 1 Mio. radioaktiven Abfall und wir wissen nicht, was wir mit dem Zeug machen sollen. Eigentlich verfügen wir weder über das Wissen, noch über die Möglichkeiten, ihn wirklich sicher zu verwahren. Das hat uns aber nicht daran gehindert, erst mal munter vor uns hin zu produzieren. Im Zweifel kann man ja immer noch aus einem sauberen Land in ein dreckiges Land umschichten und zum Beispiel den Krempel einfach auf einem Parkplatz in Sibirien fahren.

Ich muss schon sagen: Nachdem ich diese Recherche hinter mich gebracht habe, sieht der Atomausstieg für mich jetzt noch viel attraktiver aus. Jetzt müssten nur noch alle anderen auch mit aussteigen und die Sache wäre geritzt.

Bis bald.