439 – Schraube locker? =^_^=

====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <====

Themenpate: JeLuf

Schrauben begleiten uns vermutlich schon über 2500 Jahre aber erst seit der Industrialisierung sind sie überall.

Bild: CC0, Pixabay, https://pixabay.com/en/nut-bolt-metallic-metal-white-165083/

 

 

#439 – Schraube locker?

Ich gebe es zu, als ich den Vorschlag von @JeLuf im Themenpatensheet gesehen habe, heute über die Sechskantmutter zu sprechen, da dachte ich, es wird eine kurze Episode. Ich meine, was will man auch darüber reden? Eine Schraube ist wirklich denkbar einfach. So eine Mutter, die wird halt drauf gedreht und jawohl, es gibt eine DIN-Norm dafür, DIN 439 B. Die beschreibt, wie so eine Sechskantmutter auszusehen hat. Fertig! Oder? Ja natürlich nicht. Es ist nämlich ziemlich offensichtlich, dass in so einer Schraube, eine Menge drin steckt.

Die heutige Welt und übrigens schon die Welt in den letzten 400 Jahren, ist ohne das Prinzip der Schraube nicht vorstellbar. Schon Guttenberg – ja, der mit der Druckerpresse –  hat seine Gerätschaften mit Schrauben befestigt und natürlich funktionierte die Presse selber auch nach dem Prinzip einer Schraube. Man musste immerhin den Druck damit herstellen. Aber die Geschichte geht noch viel weiter zurück.

Schrauben sind nämlich aus ganz vielen verschiedenen Gründen sehr, sehr praktisch. Wir kennen die meistens als Befestigungssysteme, aber Schrauben können auch Dinge befördern, zum Beispiel Wasser. Das weiß man schon von Archimedes, dass er Schrauben als Wassertransport benutzt hat. Das waren dann natürlich keine Metallschrauben, sondern Holzkonstruktionen, aber das Prinzip war dasselbe.

Die ältesten richtig sicher dokumentierten Zeugnisse von Schrauben haben wir aus dem zweiten/dritten Jahrhundert nach Christus. Ernstzunehmende Historiker datieren die Idee der Schraube bis hin zu 700 oder 800 Jahren vor Christus. So sollen zum Beispiel die mythischen hängenden Gärten der Semiramis mit solchen Schraubkonstruktionen bewässert worden sein.

Die alten Römer haben Schrauben noch aufwändig von Hand gemacht. Die haben Metallbolzen genommen und dann Draht außen rum gewickelt und diesen Draht dann festgelötet. So richtig präzise war so eine Konstruktion natürlich nicht.

Auch wenn wir Schrauben also seit mehreren Jahrhunderten vor Christus kennen, aus Metall waren die erst etwa zum 15. Jahrhundert hin. Es war allerdings sehr teuer solche Schrauben zu produzieren und deswegen konnten die sich nicht durchsetzen. Erst die Industrialisierung im 18. Jahrhundert sorgte dann für den endgültigen Durchbruch der Schraube als Befestigungsmaßnahme. Trotzdem muss man sich das immer noch vor Augen halten: diese Schrauben wurden in Handarbeit gefertigt. Um ein Gefühl dafür zu bekommen wie schwierig das ist, empfehle ich dir ein kleines Experiment zu machen:

Nehme Dir einen Kugelschreiber und eine leere Klopapierrolle, dann versuche einmal ein wirklich gleichmäßiges Gewinde auf diese Klopapierrolle zu zeichnen. Ich wette, danach hast Du neuen Respekt für Menschen, die sowas von Hand in Metall machen können.

Da wundert es dann nicht, dass der endgültige Durchbruch der Schrauben erst war, als eine Maschine dafür entwickelt wurden. 1770 hat ein englischer Werkzeugmacher die erste ernsthaft zu verwendende Drehmaschine erstellt. 1797 hat wieder ein Brite die erste Gewindeschneidemaschine patentiert. Ab jetzt konnten Schrauben in rauen Mengen produziert werden und wurden auch in rauen Mengen produziert. Natürlich, wie das immer so ist, hat jedes Land dann eine eigene Vorstellung davon entwickelt, wie so eine Schraube auszusehen hat. Die Gewinde waren unterschiedlich steil, unterschiedlich fein, die Schrauben selber unterschiedlich dick.

Was vielleicht in Friedenszeiten nur nervte oder beim Handeln lästig war, das wurde dann im Zweiten Weltkrieg zu einem ernsthaften Problem. Denn die Alliierten waren nicht in der Lage, gegenseitige Reparaturen durchzuführen ohne Vorräte der jeweils richtigen Schrauben vorzuhalten oder Schrauben speziell zu fertigen. Deswegen einigten sich die Briten und die Amerikaner 1948 auf den sogenannten Imperial Standard, der überall dort gelten sollte, wo Amerikaner oder Briten ihr Hoheitsgebiet hatten.

Auch dieser Standard war nicht das letzte Wort. Heute verwenden wir metrische Gewinde – und zwar in der gesamten industrialisierten Welt. Es gibt also global gültige Standards, die beschreiben, wie eine Schrauben auszusehen haben. Das sind nicht nur Standards, die das Gewinde beschreiben, sondern auch die Festigkeit der Materialien, wie beschichtet wird, wie der Schraubkopf auszusehen hat, wie die Muttern auszusehen haben etc.

In der Tat steht die Entwicklung auch nicht still. Speziell in den letzten 30 Jahren hat es wohl mehrere Durchbrüche gegeben. Schrauben sind fester, robuster, vielseitiger als je zuvor. Die Materie ist auch nicht so simpel, wie die in dem Anerzählt  rüberkommt. Der Deutsche Schraubenverband e.V. –  erste Beobachtung: wir Deutschen haben für alles Vereine. Zweite Beobachtung: anscheinend gibt es genügend Themen, um einen Verband dafür zu gründen –  der hat sogar eine Ausbildung im Angebot. Also man kann eine Schraubfachausbildung machen. Ich habe mir kurz die Info-Materialien dazu angeguckt, es sieht nicht so aus, als wenn man da nur lernt, wie man eine lockere Schraube wieder festzieht. Ganz im Gegenteil, es ist eine Fortbildung für Meister in der Industrie.

Der Deutsche Schraubenverband, der selber hat inzwischen eine lustige Geschichte: Seit über 50 Jahren arbeitet er schon und war aber nicht der erste Verband seiner Art. Die haben alle – finde ich – großartige Namen. Zum Beispiel: 1905 das Deutsche Holzschraubensyndikat – klingt fast schon wie eine mafiöse Vereinigung finde ich. Oder wie wäre es mit dem DEUTSCHEN SCHRAUBEN- UND MUTTERVERBAND E.V. Dann gibt es noch den OBERSCHRAUBEN VERBAND  und die KLEMMPLATTEN-GEMEINSCHAFT. Oder wie wäre es mit der SCHRAUBENUNION? Ich sag’ es ja, ungeahnte Tiefen und wieder einmal interessanter als ich auf Anhieb gedacht hätte.

Bis bald.  

Schreibe einen Kommentar