Northern Airlines Flug 255 =^_^=

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Themenpatin: @wunnebar

Flugzeuge sind sichere Verkehrsmittel. Trotzdem stürzen sie gelegentlich ab. Heute geht es um einen Flug mit genau einer Überlebenden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Northwest-Airlines-Flug_255
http://www.mirror.co.uk/news/real-life-stories/sole-survivor-of-flight-255-plane-1263588


Bild: Von National Transportation Safety Board (NTSB) – http://lessonslearned.faa.gov/ll_main.cfm?TabID=2&LLID=69&LLTypeID=2, Gemeinfrei,https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29252474

 

#255 – Northern Airlines Flug 255

Flugzeuge sind die sichersten Verkehrsmittel. Das ist eine Binsenweisheit, die jeder von uns kennt. Und trotzdem, ich bin selber Vielflieger und habe schon hunderte Male in Flugzeugen gesessen und fühle mich immernoch manchmal mulmig.

Interessanterweise nicht bei den üblichen Verdächtigen. Turbulenzen, von denen ich übrigens noch nie so richtig heftige erlebt habe. Oder schlechtes Wetter. Ich bin bei Wiebke geflogen. Da habe ich dann gelernt, was es heißt, wenn so ein Flugzeug mit erhöhter Start- oder Landegeschwindigkeit arbeitet.

Nein – ich werde manchmal nervös bei Landungen, wenn das Flugzeug plötzlich nochmal kurz wegzuknicken scheint, oder bei turbulenten Starts. Und da liege ich statistisch auch genau richtig. Die Flugphase ist nämlich die sicherste Phase im Flug. Start und Landung sind die Situationen in denen es statistisch die meisten Unfälle gibt. Immernoch verdammt wenig. Geschenkt. Aber fliegen ist halt doch irgendwie was anderes als Autofahren.

Der Northern Airlines Flug 255, der für die heutige Episode den Themenanker liefert, ist wieder mal ein Vorschlag von @wunnebar. Das ist ein Beispiel für so einen Flug, der direkt beim Start schief ging. NA 255 war ein Linienflug und sollte am 16. August 1987 in den USA von einer Stadt in Michigan nach einer Stadt in der Nähe von Los Angeles fliegen.

Wie wir heute wissen, war die Boardelektronik des Flugzeugs gestört. Das heißt, das Flugzeug teilte dem Piloten nicht mit, dass er noch nicht startbereit war. Und so passierte dann, was passieren musste: Beim Abheben in etwa 15 Metern Höhe fing das Flugzeug an zu rollen – also sich zur Seite zu drehen. Es kam zu einem Strömungsabriss und die Maschine stürzte direkt ab. Mit der Spitze der Tragfläche riss sie einen Laternenmast um. Und das war besonders fatal, weil dieser Zusammenstoß Kerosin in Brandt steckte. Das Flugzeug drehte sich weiter nach links, traf weitere Laternenmasten, riss das Gebäude eines Autovermieters mit und schlug dann auf einer Straße auf, auf der es dann auf dem Dach liegend bis zu einer Eisenbahnstrecke rutschte. Weil die Maschine brannte, wurde sie direkt zu einer Todesfalle. 154 Passagiere und der Pilot kamen bei dem Unfall um’s Leben und auf dem Boden zwei weitere Menschen.

Von diesem Unfall gibt es genau eine einzige Überlebende. Die damals vierjähre Cecilia Cichan. Sie war mit ihren Eltern und ihrem Bruder auf dem Heimweg von einem Familienbesuch. Es muss wohl so gewesen sein, dass die Mutter sich instinktiv vor ihre Tochter geworfen hat und dadurch mit ihrem Körper die schlimmsten Verletzungen verhindern konnte. Gefunden wurde Cecilia von einem Feuerwehrmann, der zu den Rettungskräften zählte. Sie war schwer verletzt. Sie hatte eine Schädelfraktur, schwere Verbrennungen, mehrere Brüche und trotzdem ging man lange davon aus, dass sie eigentlich gar nicht an Board der Maschine hat sein können, sondern da sie überlebt hat, wohl jemand sein musste, der außerhalb des Flugzeugs gewesen war.

Erst als ihr Großvater sie identifizierte, war klar, dass es hier tatsächlich eine einzige Überlebende gegeben hatte in einer als unentrinnbar geltenden Flugzeugabsturzhölle. Cecilia ist heute 33 Jahre alt und denkt, wie sie selbst sagt, jeden Tag an die Opfer der damaligen Flugzeugkatastrophe. Aufgewachsen war sie nach der Katastrophe bei ihren Großeltern, die sie auch vollflächig von den Medien und der Öffentlichkeit abgeschirmt hatten.

Erst anlässlich einer Reportage über Flugzeugabstürze und deren Überlebende, war sie bereit, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Obwohl sie selbst eigentlich an den Absturz keinerlei Erinnerung mehr hat. Zum Glück möchte man meinen. In ihrem Fall dürfte das gleich zwei Gründe haben: Zum einen neigen wir Menschen dazu bei traumatischen Erlebnissen die letzten Ereignisse komplett zu vergessen. Angeblich liegt das daran, dass unser Gehirn in so einem Fall nicht unbedingt immer in der Lage ist, den Inhalt des Kurzzeitgedächtnisses im Langzeitgedächtnis abzulegen. Speziell wenn es zu Ohnmachten kommt.

Und der zweite Faktor dürfte sein, dass sie erst vier Jahre alt war. Die meisten von uns vergessen im Alter von 6 bis 7 Jahre einen Großteil ihrer Biografie, man nennt das kindliche Amnesie. Und wer weiß? Es ist ja vielleicht auch ganz sinnvoll, wenn unsere Psyche uns solche Erinnerungen manchmal aktiv erspart.

Cecilia jedenfalls ist eine glückliche junge Frau. Sie ist verheiratet, sie lebt in Phoenix mit ihrer Familie zusammen, die jeden Tag auf’s Neue dankbar sind, dass sie den Absturz damals überlebt hat.

Als sie im Krankenhaus lag als vierjährige, ging ihre Geschichte erstmals durch die Welt und Menschen schickten mehr als 2.000 Geschenke, 30.000 Karten und über 150.000 Dollar Spenden. Ihre Großeltern ließen schon die Geschenke und die Karten damals direkt an andere Kinder in anderen Krankenhäuser weiterverteilen und setzten einen Trustfund auf mit den Spendengeldern. Glück im Unglück eben.

Bis bald!