====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <====
Exhibitionismus ist das Entblößen mit dem Ziel sich dadurch sexuell zu erregen. Je nachdem mit wem man spricht handelt es sich dabei um eine psychische Störung, eine Beleidigung, eine legitime Sexualpraxis oder eben eine Straftat nach §183 StGB…
https://dejure.org/gesetze/StGB/183.html
http://www.zeigen-verboten.de/FAQ/FAQ.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Exhibitionismus
Es ist ein paar Monate her, der Anerzählt war noch ganz jung in seinen Anfängen, da lobte mich der Oliver, also der Explikator Oliver und meinte, die Idee wäre schon ziemlich cool. Aber, er meinte auch: Zahlen, die größer sind und dreistellig seien wahrscheinlich schwer zu füllen, wie zum Beispiel die 183. Was würde man denn zur 183 schon zu sagen wissen? Und natürlich habe ich dann reflexartig nach der 183 recherchiert und deswegen weiß ich schon seit Monaten, dass ich heute über ein Thema sprechen werde – nämlich dem Gegenstand des §183 Strafgesetzbuch: Exhibitionismus.
Und das ist auch wieder mal eines dieser Themen, von denen man spontan eigentlich glaubt alles wichtige schon zu wissen. Zum Beispiel die Definition. Was ist denn Exhibitionismus? Das ist doch einfach, oder? Wenn man sich nackig macht in der Öffentlichkeit. Aber was wäre denn mit FKK? oder Protestentblößern? Machen die sich auch automatisch strafbar? Ist barbusiges Demonstrieren auf einer Augenhöhe mit dem Genitalentblößer im Park? Spoileralarm!!! – Es ist nicht dasselbe.
Ganz allgemein versteht man unter Exhibitionismus eine Sexualpräferenz, weiß die Wikipedia zu berichten. Und zwar geht es eben darum, dass Menschen es als lustvoll erleben, von anderen nackt gesehen zu werden oder auch bei sexueller Aktivität beobachtet zu werden. Damit ist es so eine Art Gegenstück zum Voyeurismus, bei dem es ja darum geht, solche Handlungen oder eben nackte Menschen zu beobachten.
Exhibitionismus hat allgemein einen wirklich faden und negativen Beigeschmack. Je nachdem von wem dieser Begriff verwendet wird, deutet es mal auf eine Krankheit hin, der ICD 10 – ein Handbuch zur Diagnose von psychischen Erkrankrungen – führt ihn sogar als eine Störung auf. Oder es handelt sich eben, wenn man jetzt mal von der Krankheit absieht, um eine Schuld bewährte Handlung. Das heißt, etwas womit man sich strafbar macht.
Damit wären wir jetzt auch schon bei §183 Exhibitionistische Handlungen. Das Erste, was mir dabei auffiel und mich auch völlig überrascht hat, war: Dieser Paragraph stellt exhibitionistische Handlungen ausschließlich bei Männern unter Strafe. Zumindest wenn der Wortlaut dieses Paragraphen so genommen wird, wie er da steht, der im ersten Absatz eben sagt “Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft”. Und genau da wird es auch wirklich schwierig, denn womit belästigt man jetzt nun andere Personen? Und warum ist es denn belästigend?
Es gibt diverse Vorurteile. Zurück zum Beispiel, dass Exhibitionismus in irgendeiner Form mit sexueller Gewalt in Zusammenhang zu bringen ist, die man zumindest mal diskutieren kann und muss. Denn es gibt eigentlich keinen belegten Zusammenhang zwischen Männern, die sich gerne nackt zeigen und solchen, die dann auch wirklich zur Vergewaltigung oder sexueller Nötigung neigen. Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass ein Exhibitionist einem ja einen unerwünschten Anblick aufzwingt. Aber das funktioniert natürlich auch nur, weil in unserer Gesellschaft Sexualorgane tabu sind und man eben genau damit dann auch schocken kann oder zumindest mal sehr überraschen kann.
In einem beliebten Exhibitionismusforum lässt sich übrigens regelmäßig nachlesen, dass Frauen eben nicht das Gefühl haben, schockiert zu werden oder auch traumatisiert zu werden, sondern in aller Regel Ekel, Belustigung oder Empörung empfinden, wenn sie einem Exhibitionisten begegnet sind. Es ist einfach eine unerwünschte Handlung. Man sieht etwas, worauf man unter Umständen gerne verzichtet hätte und daraus entsteht dann eben Empörung.
Trotzdem, so sagen Exhibitionisten, ist es schwierig aus dieser Empörung automatisch auch einen Strafbestand abzuleiten. Es gibt schließlich auch andere Dinge in unserer Gesellschaft, die von manchen als empörend oder widerlich empfunden werden, die aber ganz legal sind. Letztlich wäre es ja so, so argumentieren Exhibitionisten, dass mit dem Exhibitionismus niemandem ein Leid angetan wird. Es wird nicht übergegriffen, wobei ich sagen muss: Sich daran zu berauschen, dass man jemand anderes etwas zeigt, was der eigentlich gar nicht sehen möchte und was in unserer Gesellschaft tabu ist, ist schon ziemlich übergriffig, zumindest meinem Empfinden nach.
Aber die Grenze zu ziehen zu anderen Praktiken, die ich als völlig normal empfinde, beispielsweise exzessives Knutschen und Fummeln in der Öffentlichkeit, was man bei Teenagern manchmal sieht oder auch Homosexuelle, die sich in der Öffentlichkeit zeigen und damit auch so manchen aufregen, fällt mir ein bisschen schwerer. Denn das liegt alles im Auge des Betrachters. Ich selber störe mich nicht daran, aber es gibt natürlich eindeutig Menschen, die sich durch solche Anblicke gestört fühlen.
Abschließend finde ich es auch noch interessant, dass eben – wie ich es vorhin schon einmal gesagt habe – Männer härter bestraft werden, als Frauen. Weiblicher Exhibitionismus scheint ja fast schon legitim und akzeptiert zu sein. Es gibt Frauen, die ziehen sich so knapp an in der Öffentlichkeit, dass man das schon gar nicht mehr wirklich anziehen nennen kann und machen sich damit keiner strafbaren Handlung schuldig. Und selbst, wenn man dabei Brüste oder Genitalien sieht. Selbst dann wird es schwierig solche Frauen zu belangen. Ich denke mal, sowas wie Erregung öffentlichen Ärgernisses oder so könnte man wahrscheinlich herbei konstruieren, wenn es sein muss, aber in der Praxis wird das eigentlich nicht gemacht. In der Praxis regt man sich über nackte Männer, aber nicht so sehr über nackte Frauen auf.
Wobei, ich muss zugeben: Wahrscheinlich gibt es einfach auch mehr Männer, die das tun als Frauen. Das kommt dann noch dazu. Und: Es liegt vielleicht auch daran, dass Exhibitionismus nur dann strafbar ist, wenn es für den Betrachter und die Justiz eine erkennbare sexuelle Motivation für die Handlung gab und das ist wahrscheinlich bei Frauen auch noch obendrein schwerer nachzuweisen.
Garantiert straffrei ist dann letztlich nur nackt sein ohne Erektion an ausgewiesenen FKK-Orten. Alles, was darüber hinausgeht, ist theoretisch strafbar und zwar entweder als Erregung öffentlichen Ärgernisses oder sexuelle Beleidigung – ja, das gibt’s auch – oder eben Exhibitionismus. Und damit reize ich dieses Gesetz ein in eine Reihe von Strafvorschriften, die ich seltsam finde, weil sie irgendwie ins Sexualleben von Menschen eingreifen, ohne eigentlich eine echte Bedrohung abwenden zu müssen. Es ist ja schließlich auch nicht so, dass plötzlich, würde es diesen Paragraphen nicht geben, an jeder Ecke ein Exhibitionist stehen würde. Vermute ich zumindest mal. Aber wer weiß? Vielleicht war das damals als es den §183 geschrieben wurde ja ganz anders.
Bis bald.