265 – Putsch =^_^=

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265 Menschen starben beim Putschversuch in der Türkei.
Was aber ist ein Putsch? Gibt es eine Definition?

http://www.zeit.de/news/2016-07/16/konflikte-tuerkische-regierung-sieht-putschversuch-als-gescheitert-an—265-tote-16141009
https://de.wikipedia.org/wiki/Putsch
https://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%BCriputsch
https://en.wikipedia.org/wiki/Coup_d%27%C3%A9tat
https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Putsch

Bild: CC0, Pixabay

 

#265 – 265 – Putsch

Die Ereignisse in der Türkei, der Putschversuch, den Erdogan gerade noch so abwenden konnte, der hat uns vor einigen Wochen schwer in Atem gehalten. Und es sind eine Menge Menschen dabei ums Leben gekommen – 265 Menschen sind offiziell laut türkischen Angaben beim Putschversuch gestorben, wahrscheinlich waren es dann in Wahrheit mehr. Aber diese 265 dienen mir heute mal als Themenanker.

Die sind bei einem Putschversuch ums Leben gekommen oder bei dem Versuch einen sogenannten Coup d’état durchzuführen. Putsch ist ein schweizer-deutsches Wort, ein Dialektwort, dass eigentlich soviel wie Stoß heißt. Und das soll praktisch auch darstellen, worum es geht. Es geht nämlich bei einem Putsch darum, die amtierende Regierung aus dem Amt zu stoßen, zu vertreiben. In aller Regel sind Putschversuche gewalttätiger Natur. Das ist aber nicht immer so. Es gibt auch sehr friedlich ablaufende Staatsstreiche.

Aber friedlich ist bei Putschversuchen eigentlich die Ausnahme. Das liegt ganz einfach daran, dass normalerweise Regierungen ja über bestimmte Machtmittel verfügen – Polizei, Militär. Sie haben also die Möglichkeit Gewalt anzuwenden, um sich vor einer Absetzung zu bewahren. Und deswegen muss die Partei, die versucht die Regierung zu stürzen, auch mit entsprechendem Druck arbeiten. Und deswegen sind es oft gerade hochrangige Militärs, die dazu neigen, einen Putschversuch zu unternehmen.

Und da sind wir auch schon bis über beide Ohren in einem Begriffschaos. Was ist denn nun ein Putsch? Was ist ein Staatsstreich? Ist es dasselbe oder eben nicht? Spoiler-Alert: Es ist nicht dasselbe. Und wir überlassen es einfach mal den Politologen und den Sprachwissenschaftlern da eine genaue Grenze zu ziehen.

Theoretisch kann man unterscheiden zwischen Wechseln, die mit Gewalt und ohne Gewalt stattfinden; zwischen den beteiligten Akteuren, sind es zum Beispiel Regierungsmitglieder oder kommen die Putschisten, Staatsstreicher oder wie auch immer man es nennen möchte, von außen? Es ist hauptsächlich ein militärisch getriebenes Unterfangen oder hauptsächlich von der Politik vorangetrieben? All diese Fragen spielen eine Rolle. Für unseren Zweck nehmen wir einfach mal beide Begriffe synonym her.

Jedenfalls sind Staatsstreiche oder Putsche wahrscheinlich so alt, wie die Idee eines Staates überhaupt. Im Grundsatz war es immer so, dass Menschen die Macht hielten, die auch gelegentlich verwendet haben, um Einfluss auf ein Volk ausüben zu können. Das sind natürlich Menschen, die von berufswegen Waffen bekommen und darin ausgebildet werden zu kämpfen, oft auch in der Position, genau einen solchen Schritt zu unternehmen.

Das Militär ist also gefährlich. Wenn man Militär im Land hat, riskiert man von diesem Militär irgendwann auch entmachtet zu werden. Das ist auch der Grund, warum wir in modernen Gesellschaften sehr ausgefeilte rechtliche Rahmenbedingungen haben, um kontrollieren zu können, was Militärs machen, wer Befehle geben kann, wo die Befugnisse aufhören und wie das Berichtswesen aufgebaut ist.

Aber nehmen wir mal an, all diese Strukturen greifen nicht und eine Gruppe von Umsturzwilligen schafft es sich zu einem Coup d’état zu koordinieren. Dann gibt es mehrere mögliche Ergebnisse:

Option 1: Es geht in die Hose. So wie in der Türkei. Das heißt, es wird Anlauf genommen, es wird versucht, es wird abgewehrt und normalerweise folgen dann Schauprozesse und großes Umstellen der beteiligten Personalien, so wie in der Türkei.

Option 2: Der Coup gelingt, aber das Regime bleibt eigentlich dasselbe. Das ist sozusagen ein individueller Machtwechsel und man könnte darüber streiten, ob man das eigentlich wirklich einen Putsch nennen kann.

Das dritte Ergebnis: Leider ein Häufiges ist, eine Diktatur wird durch eine andere Diktatur ersetzt. Das heißt, statt Erdogan in der Türkei zu haben, haben wir plötzlich einen Armeegeneral an der Macht. Beide haben gemeinsam, dass sie uns, aus westlicher Sicht, nicht so wirklich geheuer sind. Und das passiert leider ziemlich oft.

Und die neue Regierung versucht sich zunächst mal fest zu etablieren. Sie ist definitionsbedingt eben eine Minderheitenregierung. Eine Regierung, die eben nicht durch eine Wahl an die Macht gekommen ist und damit auch nicht als eine legitime Regierung gilt und auch nicht darauf vertrauen kann, Rückhalt in der Bevölkerung zu haben.

Option Nr. 4: Der Putsch beseitigt eine Diktatur und auf ihn folgt eine Demokratie. Haaaaa!

Ob das allerdings oft oder regelmäßig oder auch nur wenigstens manchmal passiert, darüber streiten sich die Geister. Es gibt Paper, die sagen: Naja, meistens sind es dann doch autokratische Machtstrukturen, die sich bilden. Und wieder andere Paper sagen: Najaaa, aber in den letzten Jahrzehnten waren es dann oft demokratische Strömungen, die gewonnen haben. Das kann man so pauschal wahrscheinlich gar nicht sagen.

Jedenfalls werden wir weiterhin Putsche sehen oder Putschversuche. Menschen, die glauben, nicht durch eine Wahl, sondern durch die Anwendung von Gewalt an die Macht kommen zu können. Und da oft auch noch von sich glauben, das Richtige und vielleicht sogar das Gute für’s Volk zu tun.

Ob das dann so stimmt, das liegt natürlich immer im Auge des Betrachters. In der westlichen Welt mit ihren Demokratien, wahrscheinlich eher nicht. Da wäre es sehr wünschenswert, dass man durch eine Wahl und durch die Prozesse, die in den Parlamenten ablaufen, an die Macht kommt. Vor allem ist da die Kosten-/Nutzenrechnung eine andere.

Unsere Demokratien haben die Eigenart, dass man selbst die inkompetentesten Staatsführer lange genug blockieren kann, bis eine Neuwahl die Sache umentscheidet. Da ist also abwarten und wählen gehen oft die ökonomischere Option.

Bis bald.