329 – Eisenbahn und Pferdeärsche =^_^=

====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <====

Was hat die Wangeroger Schmalspurbahn mit Pferdeärschen gemeinsam? Stellt sich raus: Nix.

Bild: Von user: Benedictus – user: Benedictus, Archiv-Nr. 38/38, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1730253

 

 

#329 – Eisenbahn und Pferdeärsche #118 – Intelligenztests

Wenn Du wie ich keine Ahnung von Eisenbahnen hast, dann wirst Du auf die Frage, was eigentlich der Unterschied zwischen Breitspur, Normalspur und Schmalspur ist, wahrscheinlich keine Antwort haben. Das ist aber kein Problem, denn der Anerzähler hilft weiter! Anerzählt investigativ. Anerzählt klärt auf.

Fangen wir einfach mal bei der Normalspur an. Von der geht dann nämlich alles andere automatisch aus. Die Normalspur von Eisenbahnen beträgt 1.435 Millimeter. Das entspricht in den USA und in Kanada 4 Fuß und 8,5 Zoll. Und damit sind wir automatisch auch schon fertig, denn alles was kleiner ist, als 1.435 Millimeter Spurweite nennt man Schmalspur. Alles was breiter ist als 1.435 Millimeter nennt man Breitspur. Da stellt sich nur die Frage: Wie zum Geier kommt man eigentlich auf 4 Fuß 8,5 Zoll? Oder auf 1.435 Millimeter als das Normmaß für Eisenbahnspurbreite? Übrigens das Standardnormmaß weltweit!

Verbrochen haben es mal wieder die Briten. Die waren nämlich die Ersten, die Eisenbahnen gebaut haben. Und die haben dieses Maß eingeführt. In den USA schließlich wurden dann Eisenbahnen von englischen Auswanderern gebaut und die brachten diese Norm sozusagen mit.

Gut, das erklärt jetzt vielleicht, warum wir in der Neuzeit alle diesem Maß folgen. Aber warum haben denn die Engländer überhaupt diese Spurbreite gebaut? Naja, weil die ersten Eisenbahnlinien von denselben Leuten gebaut worden waren, die vor dem Eisenbahnzeitalter die Straßenbahnlinien gebaut haben und die hatten diese Spurweite.

Das hat jetzt ein bisschen was von:

[Auszug aus einem Lied]

 

  • “Wenn der Topf aber nun ein Loch hat, lieber Heinrich, lieber Heinrich?
  • Stopf es zu, liebe, liebe Lisa, liebe Lisa, stopf es zu!”

 

Warum hatten denn die Straßenbahnleute dieses Spurbreite benutzt? Weil sie dieselben Werkbänke und Werkzeuge verwendet haben, die beim Bauen von ganz normalen Wägen benutzt wurden. Und Wägen hatten damals genau diesen Radabstand.

[Auszug aus einem Lied]

 

  • “Wenn der Topf aber nun ein Loch hat, lieber Heinrich, lieber Heinrich?
  • Stopf es zu, liebe, liebe Lisa, liebe Lisa, stopf es zu!”

 

Ähm, ja. Ab hier stellst Du Dir das Lied einfach vor, sonst kommen wir nicht bis ans Ende von der Sendung.

Also, warum hatten denn jetzt bitte die Wägen genau diesen Radabstand. Na, ganz einfach: Weil die Wägen sonst zu Bruch gegangen wären. Die sind nämlich auf Fernstraßen in England unterwegs gewesen und diese Fernstraßen hatten tief eingefahrene Rillen in genau diesem Abstand.

Hmmm, da fragt sich der geneigte Hörer: Wer hat denn diese Straßen gebaut und warum haben denn die Wägen so tiefe Furchen gefahren? So tiefe Furchen: Na, weil die Straßen so alt waren. Es waren die ersten Fernstraßen in England, überhaupt in ganz Europa und die waren von wem gebaut? – Moment! [kleiner akustischer Hinweis]

Logisch – die Römer waren es. Und die Furchen in den Straßen, auf die jedermann Rücksicht nehmen musste, aus Angst sonst die Wagenräder zu Schrott zu fahren? – Die stammten von römischen Streitwägen, die überall im Römischen Reich sozusagen standardisiert in Puncto Radabstand unterwegs waren. Wenn der Topf…. Ach, vergessen wir das.

Woher kam jetzt nun dieser Radabstand? Der war ganz einfach so festgelegt worden, als sozusagen bürokratische Vorgabe im alten Rom, dass an militärischen Streitwagen exakt zwei Pferde Platz haben müssen. Es wurde sozusagen das Maß vom durchschnittlichen Pferdehintern eines römischen Armeepferdes genommen. Und damit hätten wir jetzt die Antwort auf die Frage, warum eigentlich Normalspureisenbahnen genau 1.435 Millimeter breit sind.

Aber man kann davon ausgehend auch noch weiter spinnen. Als nämlich das Space Shuttle noch unterwegs war oder hin und wieder mal ins All geschossen wurde, da konnte man ja hin und wieder diese Trägerrakete sehen und hat zwei Seitenraketen, links und rechts davon, wahrgenommen. Diese zwei Seitenraketen wurden in einer Firma in einer Fabrik in Utah hergestellt. Und diese Raketen mussten natürlich irgendwie von Utah zum Startplatz transportiert werden. Der beste Weg dafür ist natürlich die Eisenbahn. Und die fährt eine Strecke ab, die gelegentlich auch mal durch Tunnel führt, welche natürlich an der Breite der Eisenbahn und der breite der Schienen festgelegt sind und damit sozusagen in ihrer Größe begrenzt sind. Und eigentlich hätte diese Firma gerne größere Raketen angebracht, konnte sie aber nicht, weil eben der Transport dieser Raketen per Eisenbahn erfolgen musste. Und weil die Eisenbahnen eben begrenzt sind durch die durchschnittliche Breite eines Pferdearsches bzw. zwei Pferdeärschen.

Und so kommt es, dass eine längst untergegangene Zivilisation Auswirkungen darauf hat, wie wir unsere Raumfahrtprogramme gestalten. Ich bin mir sicher, man könnte ähnliche Parallelen auch von Elon Musks SpaceX Programm ziehen.

Haaa, ja und jetzt?

[Auszug aus einem Lied]

 

  • “Wenn der Topf aber nun ein Loch hat, lieber Heinr….”

 

Äh, ‘tschuldigung, falsche Taste. Und jetzt, jetzt musst Du ganz stark sein, denn diese Geschichte, die so oder so ähnlich in tausenden Variationen im Internet zu lesen gibt, die ist leider eine Urban Legend. Stimmt so gar nicht. [Gebuhe]

Warum sich genau die 1.435 Milimeter durchgesetzt zu haben scheinen, konnte ich nicht herausfinden. Aber: Es gibt ganz, ganz viele verschiedene Maße und es gab auch bei den Alten Römern schon verschiedene Straßenbreiten. Das kann man nachweisen. Pferdeärsche waren also weit weniger einflussreich, als man so meinen möchte. Das ist ja auch irgendwie tröstlich, oder?

Da bleibt eine Frage: Warum zum Geier erzähle ich Dir das eigentlich alles? Und da gibt es einen Schuldigen, auf Twitter bekannt als zmahlzeit. Der hat nämlich vorgeschlagen über die Deutsche Bahnbaureihe 329 zu reden. Die 329 ist eine sogenannte schmalspurige Kleinlok. Das ist eine Lokomotive, die eben auf einer Spurbreite, weniger als 1.435 Millimeter breit, fährt. Und die fährt auf einer Insel – nämlich auf Wangerooge und nur da.

Schmalspurbahnen haben einen Vorteil: Die können kleinere Kurven fahren und sind damit im Gelände auch leichter zu verbauen. Sie haben auch einen Nachteil: Die sind nicht so direkt kompatibel mit den Normalspurbahnen und wenn man, so wie bei der Baureihe 329 eine Kleinserie hat, dann ist das Ganze auch teuer und schwierig zu warten.

Trotz allem hat mich dieser kleine Ausflug über diese 96 PS Mini-Lok dazu gebracht, nach Schmalspur, Normalspur, Breitspur zu suchen, dabei herauszufinden, dass Schmalspurbahnen nicht das gleiche sind, wie Kleinbahnen und zu lernen, dass Schmalspurbahnen auch gar nicht mal selten sind. Zum Beispiel fahren in Südafrika ganz selbstverständlich alle Bahnen auf einer Schmalspur durch die Gegend.

So. Und damit lasse ich es jetzt wieder gut sein – mit der Eisenbahn-Schlaumeierei. Wenn Du aber einen Podcast suchst, in dem Du der Neugier zum Thema Eisenbahnen frönen kannst, dann kann ich Dir einen empfehlen:www.eibsonair.de. In dem wird für ganz normale, nicht Eisenbahner, völlig verständlich alles mögliche rund um’s Thema Eisenbahn erklärt. Von Eisenbahnen in Ausbildung nämlich – super spaßig, gut anzuhören, auch für Leute, die jetzt nicht unbedingt vom Fach sind. Der Link ist wie immer in den Shownotes.

Bis bald.